Interview : Kinder und Ernährung mit Joke Vanherck
Interview mit der orthomolekularen Therapeutin Joke über gesunde Ernährung bei Kindern und den Einfluss auf das Immunsystem.
Über Joke Vanherck
- Orthomolekulare Therapeutin (BIOK)
- Ernährungsberatung
- Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)
- Bioresonanz
- Balansretie.be
Interview
Joke, du hast das Buch ‚Blije buikjes’ (Glückliche Bäuchlein) über gesunde Ernährung für Kinder geschrieben.
Stimmt. Ausgangspunkt unseres Buches ist die Bedeutung einer guten Darmgesundheit an erster Stelle. Wenn man dafür sorgt, dass Kinder so früh wie möglich einen möglichst gesunden Darm haben, verhindert man viele Gesundheitsprobleme im späteren Leben. Ernährung hat großen Einfluss auf die Darmgesundheit.
Woher stammt deine Leidenschaft für gesunde Kinderernährung?
Meine Leidenschaft dreht sich insbesondere um alles, was mit dem Orthomolekularen zu tun hat. Die Dimension der Kinder ist dazugekommen, als ich selbst Mutter geworden bin. Seit meiner Schwangerschaft und der Geburt meiner ersten Tochter hatte ich – trotz meiner orthomolekularen Ausbildung – doch noch etliche Fragen. Damals hätte ich gerne das Buch gehabt, das wir jetzt geschrieben haben.
Was ist gesunde Ernährung für Kinder denn eigentlich?
Das fängt schon ab der Geburt an mit der Entscheidung, ob man stillt oder nicht. Die Zusammensetzung der Flaschennahrung ist heutzutage durchaus nicht schlecht, wird der einzigartigen Zusammensetzung von Muttermilch aber nie ebenbürtig sein, die zu jeder Tageszeit perfekt auf den Bedarf des Kindes abgestimmt ist. So wird etwa die Menge an Ballaststoffen in der Muttermilch nie dieselbe sein wie in künstlicher Nahrung. Zudem enthält Muttermilch auch schützende Stoffe wie Lactoferrin und Antikörper, die dem Baby bei der Entwicklung eines gesunden Immunsystems helfen.
Wir empfehlen, in den ersten sechs Monaten noch nicht mit fester Nahrung zu beginnen. Das Immunsystem und der Verdauungstrakt sind erst mit sechs Monaten reif genug, um ein Kind an neue Nahrung zu gewöhnen. Nach der Umstellung auf feste Nahrung ist es wichtig, aus allen Makronährstoffen (Fetten, Kohlenhydraten und Proteinen) eine gesunde Auswahl zu treffen.
Wussten Sie, dass es sich bei den Kohlenhydraten in Gemüsebrei nicht immer um Kartoffeln handeln muss? Man kann sie mit anderem Knollengemüse wie Süßkartoffeln oder Topinambur abwechseln. Auch Getreide wie Reis, Buchweizen und Hirse eignen sich dafür. Viele Getreidesorten sind in Mehlform erhältlich, eigens für Gemüse- oder Obstbrei entwickelt.
Als Fett für Gemüsebrei kann man Olivenöl nehmen, das reich an Omega 9 ist. Verwenden Sie als Abwechslung omega-3-reiche Öle wie Leinsamen- oder Walnussöl. (Wärmen Sie diese nicht mit auf, sondern geben Sie sie erst kurz vor dem Verzehr dazu.)
Wenn Ihr Kind nach einigen Wochen anstandslos Gemüsebrei isst, führen Sie Proteine ein. Dabei können Sie sich für tierische Proteine, abgewechselt mit pflanzlichen Proteinen, zum Beispiel aus Hülsenfrüchten, entscheiden.
Auch bei älteren Kindern ist es wichtig, bei den Makronährstoffen die richtige Auswahl zu treffen.
Bei Kohlenhydraten muss der Fokus vor allem auf komplexen Kohlenhydraten aus Gemüse und Vollkorn liegen. Wichtig ist, Eltern bewusst zu machen, welchen Einfluss der Verzehr von Zucker auf den Blutzuckerspiegel hat: eine Energiespitze, gefolgt vom bekannten Energietief.
Fette sind für die Entwicklung von Kindern unerlässlich.
Sie sind wichtig:
- für das Immunsystem.
- als Energiequelle.
- für das Herz.
- für die Aufnahme fettlöslicher Vitamine.
- für die Darmgesundheit.
- für gutes Sehvermögen.
Nicht alle Fette sind gleich, und oft greift man zu ‚weniger idealen’ Fetten wie omega-6-reichem Sonnenblumenöl für Gemüsebrei oder Margarine als Schmierfett. Nehmen Sie auch gesättigte Fette, zum Beispiel Kokosöl oder Rahmbutter und ungesättigte Fette wie Omega 3 und Omega 9.
Häufig wird immer noch behauptet, dass man gesättigte Fette meiden solle. Aber das stimmt nicht. Gesättigte Fette sind für eine gute Entwicklung von Herz und Nervensystem unverzichtbar. Man braucht sie, allerdings nur in Maßen. Holen Sie darum nicht mehr als 10 % Ihres gesamten Tagesbedarfs aus gesättigten Fetten.
Bei den Proteinen ist es wichtig, die pflanzlichen Proteinquellen nicht zu vergessen. Denken Sie etwa an Hülsenfrüchte, Pilze und Nüsse. Zu viele tierische Proteine wirken übersäuernd und können zu einer Überlastung der Nieren führen. In unserem Buch beschäftigen wir uns auch mit der vegetarischen Ernährung von Kindern. Ich selbst befürworte am ehesten den sogenannten flexitarischen Lebensstil, bei dem man teilweise vegetarisch isst. Achten Sie dabei unbedingt auf genügend fetten Fisch. Über den Verzehr von Fisch wurde in letzter Zeit viel diskutiert wegen der Belastung mit Quecksilber. Im empfehle meinen Klient*innen deshalb, kleinere Fischsorten (wie Sardinen und Hering) statt großen Fischen zu wählen. Vor allem die großen Fische können nämlich Schwermetalle enthalten.
Zudem geht es nicht nur darum, was wir essen, sondern auch darum, was wir trinken. Wasser bildet selbstverständlich die Grundlage. Kinder trinken oft zu wenig, was zu Verstopfung und Kopfschmerzen führen kann. Außerdem können zu geringe Trinkmengen auch der kognitiven Tätigkeit schaden, besonders dem Kurzzeitgedächtnis. Um Wasser interessanter zu machen, kann man etwas Obst oder Sirup hineingeben.
Bei Erwachsenen ist die Darmgesundheit wichtig für ein gut funktionierendes Immunsystem. Gilt das auch für Kinder?
Unbedingt. Das ist sogar der Ausgangspunkt unseres Buches. Ein gesundes Kind hat einen gesunden Darm, und der ist die Basis für ein starkes Immunsystem. 80 % der Immunaktivität spielt sich im Darm ab. Das sagt doch eigentlich alles.
Die Vorbeugung gesundheitlicher Beschwerden in späteren Jahren beginnt mit einer guten Darmgesundheit so früh wie möglich im Leben. Der Darm befindet sich drinnen, ist aber eigentlich ein Teil der Außenwelt. Er ist das größte Kontaktorgan, die Grenze zwischen drinnen und draußen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Darmschleimhaut. Es passieren nämlich nicht nur nützliche Nahrungsbestandteile unseren Verdauungstrakt, sondern auch diverse Toxine, Parasiten, Schimmelpilze, Viren und Bakterien. Deshalb braucht man eine starke Verteidigungslinie: die Schleimhaut (Mucosa), die als immunologische, schützende Barriere dient. Die Schleimhaut muss in gutem Zustand sein, damit das Immunsystem optimal funktionieren kann.
- Einerseits lässt die Schleimhaut Nährstoffe hindurch. Andererseits sorgt sie für bestimmte Abwehrreaktionen.
- Zudem enthält die Darmschleimhaut wichtige Antikörper (sIgA), die Eindringlinge angreifen und unschädlich machen.
- An der Darmschleimhaut erkennt man auch gut den Unterschied zwischen hilfreichen und krankmachenden Bakterien. In allen Schleimhäuten (also auch in der Darmschleimhaut) befinden sich zahlreiche ‚antimikrobielle immunaktive Stoffe’ (sekretorisches Immunglobulin A, sIgA). Diese Stoffe schützen den Körper vor Eindringlingen und verhindern, dass diese durch die Schleimhäute hineingelangen und die Blutbahn erreichen. Wenn Eindringlinge die Blutbahn erreichen, können sie nämlich eine Reaktion des Immunsystems in Gang setzen und so eine Allergie auslösen. Bei einem Mangel an sIgA funktioniert das Abwehrsystem nicht mehr gut. Chronische Infektionen der Ohren, der Atemwege oder des Darms können die Folge sein. Ein ausreichender Gehalt an sIgA ist insofern ein guter Indikator für eine starke Abwehr.
- Das Immunsystem im Darm nennt man das GALT (Gut-Associated Lymphoid Tissue oder darmassoziiertes lymphatisches Gewebe). Lymphatisches Gewebe ist eine Gewebeart, die vom Lymphsystem gebildet wird, das seinerseits das Immunsystem des Körpers unterstützt. Das GALT ist Teil des MALT (mukosaassoziiertes lymphatisches Gewebe). Das GALT befindet sich in den Schleimhäuten des Dünndarms, und das MALT befindet sich an verschiedenen Stellen in den Schleimhäuten des Körpers. Anmerkung: 1 Gramm Darmgewebe enthält 1 Million Immunzellen.
Auch die Darmflora spielt eine wichtige Rolle für die Immunität. Wie stark unsere Abwehr ist, wird unter anderem von der Zusammensetzung und Diversität unseres Mikrobioms bestimmt. Eine gesunde Darmflora bietet einen guten Widerstand gegen Krankheiten. So produziert sie etwa Stoffe, die Krankheitserreger wie Viren, schlechte Bakterien und Schimmelpilze abwehren. Zwischen der Darmflora und dem Immunsystem findet ständig eine intensive Kommunikation statt. Über chemische Signale meldet der Darm, welche Krankheitserreger vorhanden sind, sodass Ihr Immunsystem angemessen reagieren kann. Wenn es genügend günstige Mikroorganismen gibt, erzeugen sie ein Milieu, das dem Wachstum und der Aktivität ungünstiger, krankmachender Bakterien nicht förderlich ist. Deshalb sollte man unbedingt dafür sorgen, dass der Darm möglichst optimal von diesen günstigen Bakterien bevölkert wird.
Wie können wir den Darm bei Kindern möglichst gesund erhalten?
Zu allererst, indem wir für ein gesundes Darmmikrobiom sorgen. Das beginnt schon ab der Geburt und sogar noch früher. Während der Geburt und in den ersten Lebensmonaten gibt es drei Phasen, in denen Bakterien von der Mutter auf das Kind übertragen werden:
- Übertragung über die Plazenta. Hierfür ist die Muttermundflora offenbar sehr wichtig.
- Während der (vaginalen) Geburt
- Forschungen haben ergeben, dass Säuglinge, die gestillt wurden, 27,7 % ihrer Darmbakterien aus der Muttermilch erhalten haben.
Danach ist die richtige Ernährung ganz wichtig. Genügend Ballaststoffe als Nahrung für die Darmbakterien: ballaststoffreiches Obst und Gemüse, Kräuter, Nusspaste, unraffiniertes Getreide … Probiotische Lebensmittel sind wichtig, um die Darmflora zu bereichern. Eine gute Quelle für probiotische Nahrung sind fermentierte Lebensmittel wie Kefir, Tempeh, Joghurt und fermentiertes Gemüse. Auch Abwechslung ist für ein gesundes Mikrobiom von Bedeutung. Je abwechslungsreicher Ihr Kind isst, umso gesünder ist das Darmmikrobiom. Jede Bakterienart im Darm braucht andere Nährstoffe, um zu wachsen. Und weil jede Bakterienart ihre eigene Funktion hat, ist es wichtig, dass im Darm Ihres Kindes so viele verschiedene Bakterienarten wie möglich wohnen. Lediglich, wenn Sie beginnen, feste Nahrung zu füttern, empfehlen wir, in den ersten Wochen noch nicht zu variieren und Gemüse oder Obst eine Woche nach der anderen einzuführen. So kann sich der Darm in Ruhe an die neuen Lebensmittel gewöhnen. Auch gesunde Omega-3-Fette sorgen für eine Zunahme der guten Bakterien und stärken die Darmwand.
Bakterien aus der Umwelt sind ebenfalls wichtig, um das Darmmikrobiom zu bereichern. In unserer Gesellschaft werden Kinder oftmals ‚zu clean’ erzogen und kommen zu wenig mit Mikroben aus der Umwelt in Kontakt. In einer gesunden Umwelt findet ein ständiger Austausch von Mikroben zwischen der Umgebung und Menschen, Tieren und Pflanzen statt. Eine reduzierte Exposition gegenüber all diesen Mikroben stört das mikrobielle Gleichgewicht in Darm, Haut und Atemwegen, wodurch sich das Immunsystem weniger gut entwickelt. Übertreiben Sie es deshalb nicht mit antibakteriellen Putzmitteln, Handgel oder Desinfektionstüchern.
Welche Lebensmittel sollte man besser meiden?
Damit der Darm gesund wird und es auch bleibt, ist es nicht nur wichtig, die positiven Bakterien zuzuführen und zu stimulieren. Mindestens ebenso wichtig ist es, die krankmachenden Bakterien auf ein Minimum zu begrenzen.
Nehmen Sie möglichst wenig schnell verdauliche, raffinierte Zucker zu sich. Von diesen ernähren sich nämlich die krankmachenden Bakterien. Auch Süßstoffe, Konservierungsmittel und Farbstoffe sind schädlich für das Darmmikrobiom. Es gibt außerdem Lebensmittel, die die Schleimschicht des Darms abbauen. Bekannte Beispiele dafür sind Kuhmilch und Gluten. Der Immunstoff in der Schleimschicht unseres Darms (sekretorisches IgA, über das ich vorhin gesprochen habe) reagiert auf Eindringlinge. Auch Gluten und Kasein (steckt unter anderem in Kuhmilch) sieht unser Körper als Eindringlinge an. Bei einer gluten- und kuhmilchreichen Ernährungsweise werden darum viele unserer schützenden Stoffe geopfert. Deshalb empfehlen wir in unserem Buch, glutenreiche Produkte (Gerste, Roggen, Dinkel und Weizen) immer ausreichend mit glutenfreiem Getreide (Quinoa, Reis, Hafer, Buchweizen, Teff, Hirse) abzuwechseln. Pflanzliche Milchprodukte wie Hafermilch oder Mandelmilch sind eine gute Abwechslung zu – am besten fermentierten – Milchprodukten.
Und was ist mit Intoleranzen oder Allergien?
Gluten und Kuhmilch sind weit verbreitete Ursachen von Allergien oder Intoleranzen.
Bei der Vorbeugung von Allergien plädieren wir nicht dafür, hoch allergene Lebensmittel komplett zu meiden. Die Vorbeugung beginnt selbstredend so früh wie möglich. Wir empfehlen, Ihr Baby etwa über die Muttermilch mit kleinen Mengen an Gluten und am besten fermentierten Kuhmilchprodukten in Kontakt zu bringen. Die Exposition gegenüber Allergenen ist wichtig, um für eine spätere Lebensphase eine normale Immuntoleranz gegenüber Lebensmitteln zu entwickeln. Übertreiben Sie es aber nicht und wechseln Sie daher regelmäßig mit gluten- und milchfreien Alternativen ab.
Beginnen Sie frühestens im Alter von sechs Monaten mit fester Nahrung, da der Darm und das Immunsystem vorher noch unzureichend entwickelt sind. Zu Beginn der festen Ernährung sollten die ersten Wochen ‚Eingewöhnungswochen’ sein, in denen eine tägliche Abwechslung noch nicht nötig ist.
Behandelst du in deiner Praxis auch Kinder? Mit welchen Beschwerden kommen sie zu dir, und wie hilfst du ihnen? Hast du praktische Beispiele?
Ja, auf jeden Fall. Häufig vorkommende Probleme sind Ekzeme, Allergien und Intoleranzen oder Verdauungsbeschwerden. Immer mehr beobachte ich auch die Problematik der Hochsensibilität. Als Erstes behandele ich immer den Darm und merze Intoleranzen oder Allergien aus. Meistens arbeite ich auch mit Nahrungsergänzungen. Die Nahrungsergänzungsmittel, die ich bei Kindern am häufigsten einsetze, sind Probiotika und ein Fettsäurenkomplex. Bei hoch sensiblen Kindern wirkt auch Magnesium oft sehr gut. Es bringt das Nervensystem zur Ruhe, indem es die GABA-Produktion stimuliert. GABA ist der Neurotransmitter, der den AN-Schalter im Gehirn ausschaltet. Daneben sind die gesunden Omega-3-Fettsäuren sehr wichtig, ebenso wie die Regulierung des Blutzuckerspiegels.
Welche Tipps hast du beim Dauerthema Erkältungen?
- Intoleranzen ermitteln und die Darmgesundheit mithilfe von unter anderem Probiotika wiederherstellen.
- Schwache Schleimhäute der Atemwege hängen häufig mit schwachen Schleimhäuten im Darm zusammen. Wie schon gesagt, ist das GALT Teil des MALT, eines gemeinsamen Immun- bzw. Lymphsystems aller Schleimhäute im Körper. Neben der Darmschleimhaut gehören zum MALT unter anderem auch Augen-, Rachen-, Mund-, Nasen- und Bronchienschleimhäute. Dieses System sorgt dafür, dass eine Aktivierung der weißen Blutkörperchen in der Darmschleimhaut eine Immunantwort in anderen Schleimhäuten auslösen kann.
- Außer der bekannteren Darm-Hirn-Achse gibt es auch eine Darm-Lungen-Achse, die Kommunikation zwischen dem Mikrobiom im Darm und den Atemwegen. Darm und Atemwege hängen also sehr eng zusammen.
- Auch eine Lebensmittelintoleranz kann mit hineinspielen, wenn das Immunsystem eifrig damit beschäftigt ist, harmlose Nährstoffe zu jagen
- Bestimmte Lebensmittel wirken zudem schleimbildend, so etwa Bananen und Kuhmilch
- Nährstoffmangel kann ebenfalls eine Rolle spielen. Beim Immunsystem kommt uns dann direkt Vitamin C in den Sinn. Aber auch Vitamin A und D, Zink und Magnesium sind wichtige Nährstoffe für eine optimale Abwehr.
Gibt es Nährstoffe, die helfen, Kinder zur Ruhe zu bringen und gut schlafen zu lassen?
Das lässt sich nicht einfach so beantworten. Viele Faktoren können Unruhe oder Schlafproblemen zugrunde liegen. Ein gesundes Schlafritual und Struktur sind bei kleinen Kindern meiner Meinung nach ganz wichtig. Stress ist auch oft ein nicht zu unterschätzender Faktor. Osteopathie hilft hier häufig gut, aber auch zusätzliches Magnesium oder B-Vitamine können bisweilen Wunder wirken. Auch Omega-3-Fettsäuren sind sehr wichtig für den Schlaf, besonders die Omega-3-Fettsäure DHA. Unser Gehirn hat einen hohen DHA-Bedarf. Deshalb ist sie die wichtigste Omega-3-Fettsäure im Gehirn überhaupt, vor allem in der Zirbeldrüse. Die Zirbeldrüse ist unter anderem für die Produktion des Schlafhormons Melatonin verantwortlich. Melatonin wird durch Umwandlung aus seiner Vorläufersubstanz Serotonin gebildet. DHA unterstützt diese enzymatische Umwandlung. Ist der Gehalt an DHA höher, ist daher auch der Gehalt an Melatonin höher.
Hast du Tipps für Eltern von heiklen Essern? Kann ein Nahrungsergänzungsmittel helfen, den Druck zu nehmen, dass ein Kind ‚genug’ von bestimmten Dingen essen muss?
Kinder, die gestillt werden, werden dadurch schon mit unterschiedlichen Aromen der Lebensmittel vertraut gemacht, die die Mutter gegessen hat. Die Zusammensetzung der Muttermilch wird nämlich davon bestimmt, was man als Mutter isst oder trinkt, und ist daher sehr abwechslungsreich – sofern sich die Mutter abwechslungsreich ernährt. Da das Kind mit verschiedenen Aromen in Kontakt kommt, entwickelt sich der Geschmackssinn besser.
Man könnte in der Tat ein Multi-Nahrungsergänzungsmittel einsetzen, um Kinder mit den notwendigen Vitaminen und Mineralstoffen zu versorgen. Wenn ein Kind schlecht isst, beruhigt das die Eltern, sodass auch die Mahlzeiten ruhiger verlaufen können. Die Basis bleibt aber doch eine gesunde Ernährung.
Ich denke, dass es vor allem wichtig ist, immer gesundes Essen anzubieten, dass aber weder Stress noch Anspannung am Tisch herrschen sollten. Vermeiden Sie den Druck, dass der Teller leer gegessen werden muss. Essen soll eine angenehme Erfahrung sein.
Manchmal hilft es, die verschiedenen Lebensmittel voneinander zu trennen, sie separat in einer Art Büfettform anzubieten, etwa in unterschiedlich farbigen Schüsselchen. Es kann aber auch helfen, wenn Kinder sich den Teller selbst füllen dürfen. Man kann Gemüse außerdem als Imbiss zwischendurch anbieten. Es muss nicht immer nur zur Hauptmahlzeit sein. Und gehen Sie selbst mit gutem Beispiel voran. Ich merke bei meinen eigenen Kindern, dass sie mehr und mehr das essen wollen, was wir auch essen.
Man sollte ein Kind weder mit Essen bestrafen noch belohnen. Sonst besteht die Gefahr, dass sie sich falsche Gewohnheiten aneignen und sich auch als Erwachsene weiterhin mit etwas Leckerem belohnen.
Vergessen Sie nicht, dass es 8 bis 15 Expositionen gegenüber einer neuen Zutat braucht, bevor ein Baby mit einem neuen Geschmack vertraut ist. Allgemein lässt sich sagen: Je jünger das Kind ist, umso weniger Expositionen sind nötig. Geben Sie also auf keinen Fall zu schnell auf, und bieten Sie ohne Zwang weiter kleine Portionen an. Kinder, die in jungen Jahren viele verschiedene Gemüsearten angeboten bekamen, essen im Alter von sechs Jahren eine breitere Palette an Gemüse.
Gibt es bestimmte Nahrungsergänzungsmittel, die für Kinder wichtig sind oder gerade nicht?
Ein gutes Multivitaminpräparat ist von Interesse. Daneben sind Vitamin D, Zink, ein Fettsäurenkomplex und ab und zu eine Probiotika-Kur wichtig.
Hast du praktische Tipps für den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln bei Kindern?
- Pulver kann man ins Essen mischen.
- Eine Kapsel Fischöl kann man aufstechen.
- Bei bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln kann man eine flüssige Variante wählen.
- Vitamin-D-Tropfen kann man in Wasser oder andere Flüssigkeiten geben.
- Tabletten kann man platt drücken und Kapseln kann man öffnen.
Inwieweit hat die Schwangerschaft schon Einfluss auf Darmmikrobiom und Immunsystem des Kindes? Was kann man schon während der Schwangerschaft tun (in Bezug auf Ernährung oder Nahrungsergänzung)?
Lange Zeit dachte man, dass Kinder mit einem sterilen Darm geboren werden, doch das wurde inzwischen widerlegt. Das Darmmikrobiom Ihres Kindes hat seinen Ursprung schon in der Schwangerschaft.
Die erste Bakterienübertragung findet über die Plazenta statt. Dem Mikrobiom und der Darmgesundheit der Mutter kommt daher große Bedeutung zu.
Wenn der Mutter selbst bestimmte Stoffe fehlen, um ihren Darm zu regenerieren, kann sie diese nicht an ihr Kind weitergeben. Eine gute Darmflora bei der Mutter ist wichtig für ein reiches und günstiges Darmmikrobiom des Babys, was auch mit einer geringeren Allergieneigung einhergeht. Ein schlechter Darm bei der Mutter bedeutet einen schlechten Darm beim Kind. Auch die Einnahme von Antibiotika während der Schwangerschaft ist hierbei nicht förderlich. Wenn wir das weiterspinnen, kann man sagen, dass kein einziges Arzneimittel gut ist. So führt etwa die Einnahme von Paracetamol zu einer Störung des Schwefelhaushalts, denn für den Abbau von Paracetamol benötigt der Körper Schwefel. Aber auch das Gehirn des Fötus braucht genügend Schwefel, um sich gut zu entwickeln. Stress hat ebenfalls negativen Einfluss auf das Darmmikrobiom und die Darmflora der Mutter.
Um dafür zu sorgen, dass man als Mutter den Fötus mit den Nährstoffen versorgt, die er für die Entwicklung braucht, ist ohnehin ein gutes Multipräparat, speziell für schwangere Frauen, wichtig. Viel zu häufig werden nur Ergänzungsmittel mit Vitamin B9 oder Folsäure eingenommen.
Der weibliche Körper durchläuft während der Schwangerschaft – für eine normale Entwicklung und Gesundheit des Fötus und zur Vorbereitung auf das Stillen – eine Reihe physischer Veränderungen (unter anderem hormonelle, kardiovaskuläre und Verdauungsveränderungen). Die neue Situation bringt während der Schwangerschaft und der Stillzeit einen höheren Bedarf an Energie, Proteinen, Fetten, Vitaminen und Mineralstoffen mit sich. Diese braucht man, um bei all diesen Veränderungen zu unterstützen, den Körper auf die Geburt und das Stillen vorzubereiten, und um die normale Entwicklung des Fötus zu gewährleisten.
Die ersten 1000 Lebenstage (von der Empfängnis bis zum Alter von zwei Jahren) sind von entscheidender Bedeutung, um Erkrankungen im Erwachsenenalter vorzubeugen. Es gibt Hinweise, dass ein Mangel an Nährstoffen beim Fötus über Generationen hinweg bestehen bleibt, mit möglichen intergenerationellen Folgen.
Daneben empfehle ich auch immer, jedes Vierteljahr eine Probiotika-Kur zu machen, und einen Fettsäurenkomplex einzunehmen, der reich an DHA ist. Das ist unter anderem für die neurologische Entwicklung wichtig. Omega-Fettsäuren sorgen zudem für eine bessere Durchblutung der Plazenta und damit für ein besseres Wachstum des Embryos. Ein Mangel an Fettsäuren ist außerdem auch ein Risikofaktor für eine Frühgeburt.
Hat auch die Geburt Einfluss auf das Immunsystem des Kindes? Sollen Kaiserschnittbabys direkt nach der Geburt ein Probiotikum erhalten?
Babys, die per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind, erhalten während der zweiten Besiedlungsphase andere Bakterien als die günstigen vaginalen und Darmbakterien. Studien haben ergeben, dass diese Babys eine geringere Diversität in ihrem Mikrobiom und mehr ungünstige Bakterien in ihrem Darm haben als Kinder, die vaginal zur Welt kommen. So weisen sie etwa mehr Bakterien aus dem Operationssaal und mehr von den Hautbakterien des Chirurgen und des Pflegepersonals auf. Das muss aber nicht heißen, dass das Kind für den Rest seines Lebens ein weniger gutes Mikrobiom und eine schlechtere Gesundheit haben wird. Wenn die Übertragung von Bakterien bei einer vaginalen Geburt gleich aus welchem Grund nicht möglich ist, lässt sich das zum Glück im Nachhinein noch etwas korrigieren. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann – in Rücksprache mit dem Gynäkologen – überlegen, ob man kurz nach der Geburt die vaginale und anale Flora mit Mund und Haut des Babys in Kontakt bringt. Diese Technik wird auch „Vaginal Seeding“ genannt. Aus Studien geht hervor, dass dies das Darmmikrobiom erheblich fördert. Falls das nicht möglich ist (zum Beispiel wegen eines positiven Streptokokkentests), kann man kurz nach der Geburt das Darmmikrobiom des Babys mit Probiotika, die an das Alter des Kindes angepasst sind, anreichern.
Hast du noch Tipps zum Abschluss für unsere Leser*innen zur Ernährung von Kindern? Was sollte jede*r wissen?
Es existiert eine Vielzahl an Theorien und jede hat ihre eigenen bedeutsamen Gesichtspunkte. Gesunde Ernährung ist wichtig, und unser Buch ist dafür – finde ich – eine sehr gute Orientierungshilfe. Allerdings mir fällt auf, dass Eltern oft stark unter Druck stehen, alle Theorien möglichst genau zu befolgen. Man muss sich aber bewusst machen, dass sogar die kleinste Veränderung schon der Mühe wert ist. Und dass man es sicher nicht alles perfekt machen muss. Ich selber praktiziere hierbei die 80/20-Regel, bei der ich 80 % der Zeit versuche dafür zu sorgen, dass meine Kinder gesund essen. Aber in den übrigen 20 % dürfen sie ruhig auch mal ‚sündigen’. Das Immunsystem ab und zu mal zu stimulieren, kann auch nicht schaden. Und vergessen Sie dabei nicht, einfach auf Ihr Muttergefühl zu hören. Ihrem Herzen zu folgen, und aus Liebe zu Ihrem Kind zu handeln, ist immer richtig.