Interview: Von Mund bis After hin zu einem gesunden Darm mit Winni De Haes
Möchten Sie wissen, was das Geheimnis eines glücklichen Bauches ist? Dann sind Sie hier richtig. In dieser Interview sprechen wir nämlich mit Winni De Haes, orthomolekularer Ernährungsexpertin und PNI-Therapeutin. Sie erzählt uns, wie man eine gesunde Verdauung bekommt – vom Mund bis zum After! Dabei geht sie genauer auf ihre effektivsten Behandlungsstrategien für das Phänomen Small Intestinal Bacterial Overgrowth (SIBO) ein, die auf fundierter wissenschaftlicher Forschung und Praxiserfahrung fußen.
Über Winni De Haes
- Orthomolekularer Ernährungsexpertin
- PNI-Therapeutin
Interview:
Winni, du nennst dich Energy & Gut (feeling) Engineer. Das klingt toll! Wie hast du dir deine Fachkenntnisse angeeignet?
Nach dem Studium der Bioingenieurwissenschaften habe ich meine berufliche Laufbahn in der Pharmaindustrie begonnen. Nach persönlichen Gesundheitsproblemen wie zwei Burn-outs nach der Geburt meiner Kinder und mit wachsendem Bewusstsein für die Bedeutung der körpereigenen Heilkräfte habe ich mich immer stärker mit orthomolekularer Ernährung und funktioneller Medizin beschäftigt. Auch durch meine eigene Suche nach mehr Wohlbefinden habe ich festgestellt, dass Menschen, die mit Energieverlust zu kämpfen haben, oft gleichzeitig auch Darmbeschwerden haben. Diese Nische habe ich mir ausgesucht. Heute helfe ich Menschen am liebsten dabei, ihre natürlichen Selbstheilungskräfte zu nutzen.
Toll! Wie sieht ein gesunder Darm deiner Meinung nach genau aus?
Alles steht und fällt mit einer effizienten Verdauung, nicht nur im Darm, sondern von Anfang bis Ende, vom Mund bis zum After. Es wird häufig unterschätzt, wie wichtig unsere Vorverdauung ist. Statt direkt an Probiotika-Ergänzungsmittel zu denken, sollte man an der Basis beginnen. Wie ernährt man sich konkret? Nimmt man genügend Ballaststoffe zu sich? Hat man viel Stress? Sehr gestresste Menschen haben häufig auch ein gestörtes Darmmikrobiom.
In deiner Praxis hilfst du besonders Menschen, die mit SIBO zu tun haben. Was ist das genau und wie wirkt es sich aus?
SIBO steht für Small Intestinal Bacterial Overgrowth und ist eine Dysbiose des Dünndarms, bei der sich große Mengen von Bakterien im Dünndarm befinden. Ist der Dünndarm nicht sauer genug, kommt es dort zur Fermentation, obgleich dieser Prozess eigentlich erst im Dickdarm stattfinden sollte. So entstehen dann Gase, Blähungen, Reflux und Verdauungsprobleme. Auch wenn es noch nicht voll von der Schulmedizin anerkannt wurde, hat SIBO doch erhebliche Auswirkungen auf die Darmgesundheit.
Welche Faktoren tragen hauptsächlich zu Verdauungsproblemen wie SIBO bei?
Problemen wie SIBO liegt häufig eine gestörte Verdauung, bei der das autonome Nervensystem eine Schlüsselrolle spielt, zugrunde. Es ist unerlässlich, sowohl das sympathische als auch das parasympathische System ins Gleichgewicht zu bringen, da das parasympathische System für Ruhe, Regeneration und eine gesunde Verdauung verantwortlich ist. Faktoren wie schnelle Mahlzeiten – besonders, wenn sie vor einem Bildschirm eingenommen werden – können dieses System stören. Deshalb ist es wichtig, den Ernährungsgewohnheiten und auch dem Stressmanagement Aufmerksamkeit zu schenken, um Verdauungsprobleme dauerhaft zu beheben.
Welche spezielle Rolle spielt ein Mangel an produzierter Magensäure oder Verdauungsenzymen bei der Verschlimmerung dieser Störungen?
Ein Mangel an produzierter Magensäure oder Verdauungsenzymen, oftmals durch Faktoren wie Stress oder zu häufige Mahlzeiten verursacht, kann die Störung verschlimmern. Dieser Mangel kann zum Beispiel zu einer Störung des Protonengradienten im Dünndarm führen, sodass sich fermentierbare Bakterien weiter oben im Darmtrakt ansiedeln können. Genügend Säure im Magen ist also ganz wichtig, um die ersten Enzyme wie Pepsin, die Proteine abbauen, zu aktivieren. Gut wirkende Magensäure sorgt dafür, dass andere Verdauungsorgane wie Bauchspeicheldrüse und Gallenblase gut funktionieren, damit die Verdauung im Dünndarm ordnungsgemäß weitergehen kann.
Bei einem Magensäuremangel kann eine Ergänzung des Behandlungsplans um Betain-HCl nützlich sein. Wichtig ist aber, vorher zu prüfen, ob die Schleimhäute von Magen und Zwölffingerdarm durch die chronische Störung nicht zu stark angegriffen sind. Anzeichen dafür können Beschwerden wie Sodbrennen, ein Druckgefühl im Magen und Aufstoßen sein. In diesem Fall kann es helfen, zuerst Vitamin U zu nehmen, um vorher die Schleimhäute zu unterstützen.
Wie diagnostiziert man mit Sicherheit, dass es sich um SIBO und nicht um zum Beispiel das Reizdarmsyndrom handelt?
Bei im Schnitt 60 bis 80 % der Menschen mit Reizdarmsyndrom stellt sich SIBO als Ursache heraus. Es geht also nicht immer um entweder das eine oder das andere. In vielen Fällen liegen beide Erkrankungen vor. Eine SIBO-Diagnose findet meistens durch einen nicht-invasiven Atemtest statt, mit dem wir herausfinden können, welches Gas von den Bakterien produziert wird. Dieser Test ermittelt das Vorhandensein unnormaler Bakterien im Dünndarm durch die Analyse von Wasserstoff, Methan und manchmal auch Schwefelwasserstoff in der ausgeatmeten Luft.
Stellt sich heraus, dass SIBO nicht die Ursache ist, läuft es häufig auf einen Mangel an oder nicht genügend Abwechslung bei Ballaststoffen hinaus. Deshalb erhöht man die Ballaststoffaufnahme allmählich und untersucht zugleich die Stresslevel sowie die Aktivität des autonomen Nervensystems. Ein Reizdarm deutet oft auf hohe Sensibilität hin, was eng mit dem Funktionieren des Nervensystem zusammenhängt. Man muss in Erfahrung bringen, welche Persönlichkeitsmerkmale und Lebenserfahrungen eine Rolle spielen. Dazu zählen auch eventuelle – bewusste oder unbewusste – traumatische Ereignisse.
Unbedingt. Es ist wichtig, dass wir unseren Lebensstil und unser Nervensystem nicht ignorieren. Wie lassen sich Darmbeschwerden wie SIBO holistisch behandeln?
Mein Behandlungsprotokoll konzentriert sich auf die Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen, die Wiederherstellung der Darmgesundheit und die Förderung eines dauerhaften Wohlbefindens. Es gibt kein Patentrezept. Stattdessen schätze ich ein, was die Person, die vor mir sitzt, braucht und verträgt.
- Ernährung und Unterstützung der Verdauung
Der erste Schritt in der Behandlung von SIBO ist die Analyse der derzeitigen Ernährungsweise des Klienten und die Unterstützung der Verdauung. Das beinhaltet die Vermeidung triggernder Lebensmittel und den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln wie Betain-HCl, die den Magen unterstützen, und/oder von Verdauungsenzymen.
In erster Linie können die Verringerung des Zuckerkonsums und die Erhöhung des Verzehrs von unverarbeiteten Lebensmitteln dem Darm auf kurze Sicht mehr Ruhe verschaffen. Ein nächster Schritt kann darin bestehen, den Verzehr von Milchprodukten oder Gluten zu reduzieren. In den meisten Fällen führt das schon zu einem deutlichen Fortschritt, und dann kann man behutsam die Menge an Ballaststoffen erhöhen. Wenn die Symptome jedoch wiederkommen, kann eine spezifische Überempfindlichkeit oder Intoleranz vorliegen, und es sind weitere Untersuchungen nötig.
Ich arbeite mit Klienten auch auf Bewusstwerdung hin, damit sie ihren Körper selbst besser spüren lernen und auf lange Sicht selbst wohlüberlegte Entscheidungen zu Ernährung und Lebensstil treffen können. Menschen, die manchmal zu beschäftigt sind, um gesund und in Ruhe zu essen, zeige ich zum Beispiel die Möglichkeit auf, eventuell nicht zu essen. Meal Spacing: Wenn man genügend Raum zwischen den Mahlzeiten lässt, beruht das den Darm. Was bewirkt das im Bauch? Hat man noch immer Blähungen? Oder genau das Gegenteil: mal intuitiv und ohne Beschränkung essen, zum Beispiel eine Pizza. Wie fühlt man sich danach? Auch das kann wertvolle Informationen liefern.
- Diagnose durch Atemtest
Wir stellen mithilfe eines Atemtests eine Diagnose. Dieser Test ermittelt das Vorhandensein unnormaler Bakterien im Dünndarm durch die Analyse von Wasserstoff, Methan und manchmal auch Schwefelwasserstoff in der ausgeatmeten Luft.
- Ausrottung von Bakterien
Je nach Art der angetroffenen Bakterien wende ich verschiedene Protokolle für die Ausrottung bzw. Abtötung der Bakterien im Dünndarm an. Ich lasse mich von den Behandlungsprotokollen von Dr. Siebecker und Dr. Nirala Jacobi inspirieren. Bei Wasserstoff-SIBO setzt ich häufig Oregano und Berberin ein, während bei Methan-SIBO die Kombination aus Oregano und Knoblauch Wirkung zeigt. Oft stellt sich heraus, dass Methan-SIBO etwas komplexer zu behandeln ist. Hierbei ist bisweilen eine Ergänzung durch Neem- oder Olivenblätter sinnvoll.
- Unterstützung der Darmwand und der Schleimhäute
Nach dem Abtöten ist es wichtig, Darmwand und Schleimhäute zu unterstützen und zu regenerieren. Das beinhaltet den Einsatz von Nährstoffen wie L-Glutamin, die die Darmgesundheit fördern und Entzündungen lindern.
- Aufbau und langfristige Regeneration
Der Regenerationsprozess nach dem Abtöten braucht Geduld und einen sorgfältigen Aufbau. Nach und nach kann man Probiotika ergänzen, um das Darmmikrobiom zu regenerieren. Wichtig ist aber, vorsichtig dabei vorzugehen, da die Schleimhäute eventuell noch empfindlich sind.
Kommt es schon mal vor, dass Menschen trotz eines umfangreichen Behandlungsplans SIBO doch nicht loswerden?
Kürzlich habe ich mit zwei Klienten nicht den Fortschritt erzielt, den ich erwartet hatte, trotz Anpassung der Ernährung und Unterstützung der Verdauung. Meine Strategie besteht dann darin, es dann einfach wieder auf sich beruhen zu lassen. Manchmal stresst die Behandlung selbst das System des Klienten schon zu sehr.
In einem der beiden Fälle hatte es auch viel mit Sinngebung zu tun. Wenn sich Menschen nicht mit dem beschäftigen, was sie glücklich macht, wirkt sich das in gewissem Maße auf ihr ‚Gut Feeling‘ aus. Man kann noch so gut für seinen Magen und seine Verdauung sorgen: Ist das eigene Leben nicht in Balance, wird der Körper darauf reagieren.
Anscheinend gibt es keine einfache Lösung, wie eine Tablette, die man nehmen kann, um SIBO zu bekämpfen.
Unbedingt. Die Darmproblematik ist ein komplexes Thema. Die Verbindung zwischen Darm und Gehirn, auch als Gut-Brain Connection bekannt, spielt dabei eine Rolle und hat mit dem Mindset zu tun.
Es ist wichtig, sich nicht nur mit dem Darm zu beschäftigen, sondern auch der Vorverdauung, der Ernährung und eventuell der Eliminierung von Mikroorganismen, die nicht dort sind, wo sie hingehören, Aufmerksamkeit zu schenken. Bisher haben wir nur über Bakterien gesprochen. Aber auch Pilze oder Parasiten können eine Rolle spielen und Überwucherung verursachen. Nehmen Sie sich Zeit, dieses Problem anzugehen. Das Problem besteht wahrscheinlich schon eine Zeit lang. Da ist es sinnvoll, jeden Schritt in Ruhe abzuwägen und immer weiter zu optimieren.
Das können deine Klienten seit Kurzem auch mit dem Online-Kurs, den du entwickelt hast, nicht wahr?
Ja, stimmt. Bei einer Konsultation erläutere ich, wie der Kurs funktioniert. Aber zu Hause können sie alle Schritte in Ruhe durchlaufen. Sie haben Zugang zu sämtlichen Informationen über SIBO, die ich in Form von Videos zusammengetragen habe. Häufig erkennen sie beim Anschauen Symptome, die ihnen bisher nicht aufgefallen waren. In Einzelgesprächen können wir diese Punkte dann näher besprechen. Das ist sehr wertvoll. Außerdem haben sie Zugang zu einem Bündel an zusätzlichem Material wie etwa einem Stresstest. Der Online-Kurs ist vor Kurzem live gegangen, und das Feedback ist positiv.
Klingt nach einem gehaltvollen und nützlichen Kurs für Menschen, die mit SIBO zu tun haben! Wenn die Leute noch Fragen an dich haben oder gern mehr Informationen hätten, wie können sie Kontakt zu dir aufnehmen?
Schauen Sie unbedingt mal auf meine Website www.winsideout.be, und per E-Mail an info@winsideout.be können Sie sich bei Fragen an mich wenden.